Markus 1:4

"So kam Johannes, der zur Vergebung der Sünden in der einsamen Abgeschiedenheit taufte und Umkehr predigte." (Eigenformulierung basierend auf der griechisch-englischen Übersetzung in bibletext.com)

Johannes der Täufer ist der Prophet, die Stimme in der Wüste weit weg von der entfremdeten Unkultur. Er predigt, d.h. er spricht zu den darin verstrickten Menschen als Gottes heilsame Stimme, um sie zur Umkehr, zur Überwindung ihrer Entfremdung bezüglich des lebendigen Gesamtprozesses (Gott) zu bewegen.

Die Taufe ist ein rituelles Eintauchen (das deutsche Wort „Taufe“ wie auch seine griechische Entsprechung „baptizein / βαπτίζειν“ bedeutet „tauchen, eintauchen“) in Wasser. Es soll die Wahrnehmung des sündigen, von der präsenten Gesamtwirklichkeit abgewandten Menschen symbolisch reinigen und ihn erst einmal sinnbildlich lösen von den Zwängen der Unkultur, ihn zur Umkehr einstimmen.

Der Taufritus bedeutet aber noch ein Zweites: Die Symbolhandlung des Eintauchens eines Umkehrwilligen in Wasser durch andere Menschen, die sich schon auf dem Weg der Umkehr befinden, wird traditionell als Eingliederung in die neu entstandene christliche Gemeinschaft begriffen. Die prophetische Stimme ruft nicht nur zu einer persönlichen Erneuerung auf, die die Entfremdung bloß innerlich zu überwinden versucht. Das Wirken Johannes‘ will mit dem Sinnbild der Taufe auch zur Schaffung einer neuen menschlichen Gemeinschaft auffordern, die den Menschen ganz integriert in den göttlichen Gesamtprozess und dabei selbst ein wichtiger Teil dieses Prozesses ist. Die neue Gemeinschaft hilft, nicht nur auf dem Weg der Umkehr zu bleiben. Sie ist selbst ein entscheidendes Element sowohl des göttlichen Ganzen wie auch der Umkehr. Umkehr bedeutet somit auch die Überwindung aller Formen von Getrenntheit, Egoismus und Narzissmus, welche die charakteristischsten Merkmale der Unkultur sind. Sie verlangt eine Ich-Identifikation, die die Mitmenschen und die Mit-Natur notwendig als bestimmende Faktoren mit einbezieht. Dass dies in der Abgeschiedenheit geschieht erscheint zunächst paradox. Wie soll Sozialisierung im Abseits der Gesellschaft möglich sein?

Die Unkultur kennt nur eine Schein-Gesellschaft. In ihr ist das Zusammensein der Menschen ein bloß additives Nebeneinander-Stehen von isolierten Atomen ohne eine existenziell notwendig erscheinende Bezogenheit zu den anderen Menschen und zur Natur, ohne die der Einzelne in Wirklichkeit nicht überleben und sein volles Menschsein nicht verwirklichen kann. Die Menschen müssen deshalb diese Pseudogesellschaft verlassen. Das muss sie zunächst in eine diesbezügliche Abgeschiedenheit führen. Ein solcher Auszug ist die entscheidende Voraussetzung, damit sie sich überhaupt wieder als Menschen finden und begegnen können. Sie müssen der Un-Gesellschaft den Rücken kehren, um sich andernorts, da wo die Unkultur nicht wirken kann, neu zusammen zu tun.

Die „Vergebung der Sünden“ muss man ebenfalls doppelt begreifen. Zum Einen werden durch Gott (durch das lebendige Ganze) dem Menschen, dessen Wille durch die Taufe von der Unkultur gereinigt ist und der sich wieder über seine Zugehörigkeit zum Gesamtzusammenhang definiert, die Sünden (das Abdriften in die Fremde und Un-Gesellschaft der wahnhaften Unkultur) vergeben. Seine vormalige Unkultur ist jetzt tote Vergangenheit, da sie nicht mehr sein Denken, Fühlen und Handeln bestimmen soll. Der Schalter wurde umgelegt, um eine neue, nicht entfremdete Geschichte zu beginnen. Seine nun vergangenen Sünden sind nun von von ihm gelöst und können ihm vom Gesamtprozess daher vergeben werden.

Zum Anderen handelt es sich bei der „Vergebung der Sünden“ auch um die Fähigkeit eines Menschen, der das Böse in der Unkultur erkannt hat, die Sünden der anderen zu vergeben, zu ent-schuldigen. Der sich von der Unkultur Lossagende weiß, dass die Sünde auf Krankheit, Verblendung und Unwissenheit, auf „Dämonen“, auf ein Verfangen-Sein im unkulturellen Wahn beruht, und letztlich nicht mit dem davon befallenen Menschen identisch ist. Sünde ist dann für ihn einfach das Ur-Leid. Dem von diesem Leid, von diesem Fremdkörper der Sünde Betroffenen muss aus Sicht des Gereinigten Barmherzigkeit, Vergebung und Hilfe entgegen gebracht werden.

Neuformulierung: Dementsprechend kam Johannes und sprach als heilende Stimme des Gesamtprozesses zu den an der Sünde leidenden Menschen. Er hielt sich dazu an einem Ort auf, der von der Unkultur nicht geprägt war und wo die Un-Werte von deren Scheingesellschaft keine Macht hatten. Sein Handeln dort zielte darauf ab, den Menschen zu helfen, Vergebung für das entfremdete Verhalten in der Unkultur empfangen und erteilen zu können. Das eine Mittel dazu war die Aufforderung zur Abkehr von der Leid erzeugenden Unkultur, das andere die Taufe als symbolische Reinigung von der Sünde und Vereinigung mit den umkehrwilligen Mitmenschen.

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